Eine kurze Geschichte der Toilette

Wer hat das moderne Spülklosett erfunden und was taten wir eigentlich davor? Auf den folgenden Seiten unternehmen wir eine Reise durch Zeiten und Räume, um der  merkwürdigen und doch faszinierenden Geschichte der Toilette auf die Spur zu kommen. Wir reisen vom alten Indien ins römische Italien und vom viktorianischen London ins Berlin des 21. Jahrhunderts. Dann kehren wir nach Indien zurück, um den Welt- Toilettentag zu begehen und schließlich enden wir mit dem letzten Schrei auf dem Gebiet der modernen Toilettentechnik

text und recherche Dr Nadia Durrani

Das nächste Mal, wenn Sie Ihre Toilette besuchen, nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um über diese Krone der menschlichen Schöpfungen nachzudenken. Die Spültoilette hat sowohl unser Leben als auch unsere Gesundheit grundlegend verändert. Aber wie ist die moderne Toilette eigentlich entstanden?
Um ihren Ursprung zu finden, müssen wir die Uhr auf das Jahr 2600 v. Chr. zurückstellen und uns nach Osten aufmachen. Denn die ersten „Spül“-Toiletten waren keine römischen Erfindungen, sondern das Werk einer hochentwickelten Kultur des 3. Jahrtausends v. Chr. im Industal des alten Indien (dem heutigen Pakistan). Das Industalvolk erbaute große Städte, wovon die am besten erhaltene wohl Mohenjo-Daro ist. Hier haben Archäologen zu ihrem großen Erstaunen in den Häusern nicht nur Duschzellen vorgefunden, sondern auch Toiletten. Diese waren zwar einfach, aber äußerst effektiv gestaltet, mit einem Sitz, der über einer Rinne angebracht war, die direkt zum Abwasserkanal führte. Die Exkremente konnten mit von Hand nachgegossenem Wasser weggespült werden.
Doch blieb diese sanitäre Hochkultur ein Einzelphänomen in der antiken Welt, denn Toiletten mit einer Kanalisation waren entweder abwesend oder einer kleinen Elite vorbehalten. Gute, aber seltene Beispiele solcher Toiletten stammen aus dem Tempel Ramses des III. (1198-1176 v. Chr.) und aus dem minoischen Palast von Knossos auf Kreta (ca. 2000 v. Chr.).
In gewöhnlichen Häusern fest installierte Toiletten gab es erst als die alten Griechen in der Mitte des ersten Jahrtausend v. Chr. anfingen, Toilettenzellen in einige ihrer Bürgerhäuser einzubauen. Die Griechen begannen auch mit dem Bau von öffentlichen Toiletten, eine Sitte, die vor allem bei den Römern weitere Verbreitung fand.
Die römischen öffentlichen Toiletten sahen ihen griechischen Vorbildern dabei ähnlich: Räume, gesäumt mit über einem Abwasserkanal angebrachten Stein- oder Holzbänken. Es gibt keinen Hinweis auf Einzelzellen, stattdessen scheinen die Menschen Seite an Seite gesessen zu haben. Die Toiletten hatten schmale, schlüssellochartige Schlitze, die es dem Benutzer wahrscheinlich ermöglichten, einen mit einem Schwämmchen versehenden Stock zum Reinigen einzuführen. Diese Stöcke wurden mit Wasser gewaschen, in Essig aufbewahrt und zwischen den Benutzern hin- und hergereicht. Die Gefahr einer Infektion muss sehr hoch gewesen sein, kein Wunder also, dass die römische Göttin Fortuna – die Göttin des Glücks – die Beschützerin der Latrinenbenutzer war.
Doch obwohl Roms gewaltige städtische Kanalisation, die Cloaca Maxima, ein vorbildliches Beispiel für römische Ingenieurskunst ist, hatten die meisten Menschen keine Toilette im Wohnraum. Stattdessen führten sie die Tradition des Nachttopfes fort, den sie im Garten oder gleich vor der Gartenpforte leerten.
Wenn wir uns in den Fernen Osten begeben, sieht die Situation ganz ähnlich aus: Die meisten Japaner hockten sich einfach über die Jauchegrube. Aber wieder hatten die Reichen es besser, wie wir an einer Toilette aus dem 9. Jahrhundert in der Akita-Burg in Tohoku sehen können. Diese bestand aus zwei Holzplanken, die über einem Abwasserkanal angebracht waren, der direkt in den Burggraben führte. Die Exkremente in schnell abfließendem Wasser zu entsorgen, war die beste Möglichkeit, denn so sammelten sie sich nicht in stehenden Gewässern und verschmutzten diese.

Ähnliches finden wir in Portchester Castle in England, wo Mönche im 12. Jahrhundert Steinrinnen anlegten, die aus der Burg hinaus direkt ins Meer führten. Ebenso war im spätmittelalterlichen London die London Bridge dafür berühmt, dass sie über öffentliche Toiletten auf ihrer gesamten Länge verfügte.
Durch das ganze europäische Mittel-alter hindurch entwickelte sich die hygienische Situation kaum von der in der Vorzeit weiter. Die meisten Toiletten waren einfache Jauchegruben, die aus dem Boden gehoben wurden, manchmal mit Holzsitzen über dem Loch, manchmal nicht. Diese Gruben zu reinigen war eine abstoßende und gefährliche Arbeit, für die man gutes Geld verdienen konnte.
Die Wende kam 1596, als Sir John Harrington, der Patensohn der englischen Königin Elisabeth I., eine Spültoilette mit Wasserkasten erfand. Die Königin war begeistert und so wurde das WC in ihrem Palast in Richmond bei London installiert. 1778 verbesserte Joseph Brahmah dieses Modell weiter, aber Spültoiletten blieben für die meisten Menschen dennoch ein unerreichbarer Luxus.
Mit der wachsenden Stadtbevölkerung der industrialisierten Welt wurde die sanitäre Versorgung in den überfüllten europäischen Großstädten jedoch zu einem der wichtigsten Themen. Unter den neuen Erfindungen war auch die erste öffentliche Spültoilette. Die als „Affenkasten“ bekannt gewordene, von Josiah George Jennings entwickelte öffentliche Toilette wurde unter großem Aufsehen 1851 auf der Londoner Industriemesse eröffnet. Diese frühen Toiletten wurden stetig verbessert und bereits im Jahre 1880 entwickelte sich daraus die noch heute gebräuchliche freistehende Toilettenschüssel. Immer mehr Menschen ließen sich solche Toiletten innerhalb oder außerhalb ihrer Häuser einbauen und im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden sie in den Häusern der westlichen Welt nach und nach Allgemeingut.
Was aber ist mit der Gegenwart und der Zukunft? Machen wir eine Kehrtwende und kehren wir nach Südasien zurück:  Während für westliche Menschen die Spültoilette eine Selbstverständlichkeit ist, haben in ärmeren Ländern wie Pakistan und Indien Millionen Menschen keinen Zugang zu einer hygienischen Toilette (weltweit sind es geschätzte 2,5 Milliarden). Aus diesem Grund wurde 2001 die Welttoilettenorganisation (WTO) gegründet, um den Zugang zu Toiletten in Entwicklungsländern zu fördern. Zur gleichen Zeit erfinden Firmen die Idee der Toilette neu, mit Innovationen wie der nachhaltigen Komposttoilette oder Smart-Klosetts, die ohne Papier waschen und trocknen, sich der Körpertemperatur anpassen und einen Gesundheitscheck mittels Ihrer Exkremente durchführen. Die Zukunft ist sauber!

Private und fest eingebaute Toiletten waren eine Seltenheit in der Geschichte der Menschheit. Die meisten Menschen verrichteten ihre Notdurft in Nachttöpfen, Jauchegruben oder in der freien Natur.

Die ersten modernen öffentlichen Spültoiletten der Welt wurden 1851 für die Londoner Industrieausstellung gebaut, die erste Kultur- und Industriemesse, mit der die Tradition der  Weltausstellungen begann.

Der durchschnittliche moderne Mensch in der westlichen Welt benutzt eine Toilette 2.500 Mal im Jahr.

Geschätzte 2,5 Milliarden
Menschen weltweit haben heute noch immer noch keinen Zugang zu einer Spültoilette.

Mohenjo-daro
Industal, ca. 2600-1800 v. Chr.

Blick über die große Lehmziegel-Stadt MohenjoDaro im Industal (heutiges Pakistan). Hier liegt der Ursprung der weltweit ersten eingebauten Toiletten. Sie waren über Abflüssen angebracht und von Hand gegossenes Wasser spülte die Exkremente in Jauchegruben außerhalb der Stadt. Die Toiletten fanden sich in Häusern in der ganzen Stadt – ein sprunghafter Anstieg des Hygienestandards, der in vielen Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden, nicht wieder erreicht wurde.

Griechischer Nachttopf
Griechenland, ca. 480 v. Chr.

Eine adelige Kurtisane oder Geliebte hockt sich über einen Nachttopf (aus dem Alten Museum Berlin). Obwohl die Griechen begannen, öffentliche und private Toiletten zu bauen, hatten die meisten Menschen keinen Zugang zu Toiletten.

Ägyptische Elite
Ägypten, ca. 1198-1167 v. Chr.

Seltenes Exemplar einer ägyptischen Toilette über einem Abfluss im Tempel für Ramses III. (ca. 1198-1167 v. Chr.) bei Medin et Habu.

Ostias öffentliche Toiletten
Italien, ca. 2. Jahrhundert

Die öffentlichen Toiletten am Domus Triclini im Römischen Hafen Ostia, in der Nähe Roms. Die Leute mussten Seite an Seite sitzen und die schlüssellochartig geformten Sitze könnten so entworfen worden sein, damit die Benutzer sich einfacher mit Bürsten säubern konnten, die geteilt wurden. Ähnliche öffentliche Toiletten wurden im ganzen Reich gebaut, etwa in Apamea, Syrien, worin worin bis zu 80 Personen Platz nehmen konnten.

Burg von Akita

Japan, 9. Jahrhundert

Cloaca Maxima in Rom

Italien, Römische Zeit, gezeichnet 1857

Ostias öffentliche Toiletten
Italien, ca. 2. Jahrhundert

Die öffentlichen Toiletten am Domus Triclini im Römischen Hafen Ostia, in der Nähe Roms. Die Leute mussten Seite an Seite sitzen und die schlüssellochartig geformten Sitze könnten so entworfen worden sein, damit die Benutzer sich einfacher mit Bürsten säubern konnten, die geteilt wurden. Ähnliche öffentliche Toiletten wurden im ganzen Reich gebaut, etwa in Apamea, Syrien, worin worin bis zu 80 Personen Platz nehmen konnten.

John Harringtons Wasserklosett
England, 1590er

John Harrington, Patensohn der britischen Königin Elisabeth I., erfand das erste mechanische Spülklosett. Diese detailgetreue Illustration, die 1596 von Harrington publiziert wurde, beinhaltet bereits zwei Elemente, die in modernen Spültoiletten vorhanden sind: ein System zum Wegspülen und ein Ventil. Eine Toilette solchen Typs war ursprünglich in der königlichen Residenz Richmond Palace bei London installiert.

Viktorianische Kommode
England, ca. 1860

Eine Kommode (im Prinzip ein Holzkasten mit einem entnehmbaren Nachttopf) aus Walnussholz. Private Spülklosetts waren noch sehr selten.

Jennings Affen-kasten
London, 1851

Klempner und Ingenieur J.G. Jennings gewann den Zuschlag, für die Londoner Industriemesse (die täglich von 50.000 Menschen besucht wurde) öffentliche Toiletten einzurichten. Es waren die ersten öffentlichen Toiletten in London seit dem späten Mittelalter. Vielleicht wurden sie Affenkasten genannt, weil sie so einfach zu benutzen waren, dass es sogar ein Affe könnte.

J. G. Jennings Wasserklosett
England, 1884

Viktorianische Toilettenschüssel
England, 1880er

Toiletten wurden immer alltäglicher und häufig wunderschön dekoriert, so wie dieses Beispiel, das von Thomas Twyford entworfen wurde.

Öko-toilette
Kenya, 21. Jahrhundert

Ein Kompostklo im Nairobi Environmental Conservation Centre in der Nähe des Elsamere Rift Valley in Kenia.

Frühes Smart-Klo
Japan, 1987

Öffent-liche Toilette in Indien
Indien, 2015

Eine einfache Freilufttoilette am Ganges, Uttar Pradesh.

Berlin, 2013

Die von Helmut Jahn designten Urinale im Sony Center am Potsdamer Platz in Berlin sorgen für eine futuristische Pinkelpause.

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Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Frühling 2017

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