Auf Schritt & Tritt mit Elvis
Der 2014 verstorbene Al Wertheimer hat ein bemerkenswertes Vermächtnis hinterlassen: nahezu 3.000 in privater Atmosphäre entstandene Aufnahmen des jungen Elvis Presley aus dem Jahr 1956, als dieser kurz vor seinem großen Durchbruch stand und damit eine Berühmtheit erlangte, die sein ganzes Leben verändern sollte. „Er war noch nicht an seinen Starstatus gewöhnt“, so Wertheimer, „das macht die Bilder so interessant.“ Viele dieser Fotos, darunter einige bisher unveröffentlichte, wurden zusammen mit den zwei Jahre später gemachten Aufnahmen von Elvis‘ Aufbruch zur Militärbasis in Deutschland für den Bildband „Elvis Presley and the Birth of Rock and Roll“ (Taschen-Verlag) aufwändig reproduziert
text Deirdre Vine foto Tim Mantoani
Im März 1956 machte Alfred Wertheimer, ein 26-jähriger Auswanderer aus Deutschland, gerade seine ersten Erfahrungen als freiberuflicher Fotograf in New York City, als ein Presseagent des Plattenlabels RCA ihn für die Aufnahmen eines neu unter Vertrag genommenen Sängers aus Memphis namens Elvis Presley engagierte. Wertheimer hatte nie von ihm gehört. „Elvis wer?“, hakte er nach. Schon bald jedoch musste nie wieder jemand diese Frage stellen.
„Nachdem mir der Auftrag zugefallen und ich Elvis getroffen hatte, spürte ich sofort, dass der Kerl etwas Besonderes war und eine interessante Geschichte zu erzählen hatte“, erinnert sich Wertheimer. „Zwei Wochen lang heftete ich mich an seine Fersen und begleitete ihn auf all seinen Reisen und auch sonst überall hin.“ Wie im Bildband „Elvis Presley and the Birth of Rock and Roll“ zu sehen ist, folgte er dem 21-jährigen Sänger wie ein Schatten. Dabei entstanden Schnappschüsse des werdenden Stars in einem New Yorker Aufnahmestudio, in Richmond, Virginia, und bei ihm zu Hause in Tennessee. Er erwischte den King des Rock ‘n‘ Roll beim Rasieren, beim Nickerchen im Zug, bei der Aufnahme von „Hound Dog“ und „Don‘t Be Cruel“ und als Casanova beim Knutschen mit der „Dame der Stunde“, wie Wertheimer sie nannte. Von den mehr als 3.000 Aufnahmen war nur eine Handvoll gestellt. „Meistens hat Elvis nicht mal mitbekommen, dass ich ihn fotografiert habe. Egal, was er tat, er war stets voll darauf konzentriert. Ich musste also nur abwarten, bis er mit irgendetwas
beschäftigt war. Dabei blieb er immer seiner unverwechselbaren Art treu – ob bei den Proben, beim Flirten, beim Haare Kämmen, beim Kauf eines Rings oder beim Gespräch mit seinem Vater über die Gründe eines verstopften Rohres, weswegen der Pool nun mit einem an die Küchenspüle angeschlossenen Schlauch befüllt werden musste. Elvis gewährte mir vollen Zugang zu seinem Leben — ich folgte ihm sogar ins Badezimmer.“
Al Wertheimer wurde in Coburg geboren, aber seine Familie zog 1936 nach New York. Als er 1952 zum Militär ging, wurde er dort Armee-Fotograf und war zeitweilig in Heidelberg stationiert. Elvis wurde 1958 einberufen, und Wertheimer fotografierte ihn bei seinem Aufbruch nach Bad Nauheim, wo er stationiert sein sollte. Er sah Elvis nie wieder. Elvis‘ Tod 20 Jahre später brachte einen riesigen Nachfrageschub für Wertheimers Fotos aus dieser Ära. Aber Wertheimers Karriere ging über Elvis hinaus. Auch nach ihm fotografierte er große Persönlichkeiten wie Eleanor Roosevelt, Nina Simone, Arthur Rubinstein sowie Lena Horne und arbeitete als Kameramann. Mit 84 Jahren starb er in seiner Wohnung in Manhattan.
Das letzte Wort sollte Wertheimers Verleger, Kurator und Mitarbeiter Chris Murray haben: „Elvis war der erste echte Rock-’n’-Roll-Star. Und Al war der erste große Rock-’n’-Roll-Fotograf.
Alfred Wertheimer. „Elvis and the Birth of Rock and Roll“, Chris Murray, Robert Santelli, herausgegeben vom TASCHEN-Verlag, € 49,99 (Hardcover, 360 Seiten). taschen.com
„Mein Becken hatte mit dem, was ich tu, nichts zu tun. Ich komm nur irgendwie in den Rhythmus mit der Musik. Ich hüpf dazu rum, weil ich Spaß hab an dem, was ich tu – ich versuch nicht, vulgär zu sein, ich versuch nicht, irgendwie Sex zu verkaufen, ich versuch nicht, vulgär und obszön auszusehen. Ich hab einfach Spaß an dem, was ich tu, und versuch, das Beste draus zu
machen“
ELVIS PRESLEY