Elvis Presley

40 Jahre nach seinem Tod ist Elvis Aaron Presley für zahllose Musikfans in aller Welt noch immer nichts weniger als der König, the King of Rock ’n‘ Roll. Wir spürten der Ikone in seiner Heimatstadt Tupelo nach und befragten einige seiner Weggefährten

text Gunther Matejka

Reggie Young reibt sich den grauen Bart. Er blickt nach oben, denkt nach, sucht nach den richtigen Worten. Seine babyblauen Augen bekommen einen eigenartigen Glanz, als er seine Erinnerungen in Sätze fassen kann: „Er war etwas ganz Besonderes, das spürte man schon, als er durch die Studiotüre ging“, sagt der heute bei Franklin, Tennessee, lebende Studiogitarrist.
„Er war wie“, Young stockt, überdenkt noch einmal die Formulierung und sagt, „wie nicht von dieser Welt. Seine Aura erfüllte innerhalb von Sekunden den gesamten Raum.“

Elvis tritt am 5. Juni 1956 in der Milton Berle Show auf.

Reggie Young spricht von seiner Begegnung mit Elvis Presley. 1969 arbeitete der damals zu den besten und meistbeschäftigsten Gitarristen der Welt zählende Musiker an einem Comeback-Album für Elvis Presley. Ende der 1960er Jahre war der schöne Rock ´n´ Roller musikalisch durch. Seine vielen Hollywoodfilme – nicht wenige davon so seicht wie der Mississippi während einer Dürreperiode – hatten kräftig am Image des King of Rock ´n´ Roll gekratzt. Musikkritiker belächelten ihn, nahmen ihn künstlerisch nicht mehr ernst. Elvis – der Showman, der Posterboy.
Ja, er war immer noch immens erfolgreich; Frauen lagen ihm nach wie vor zu Füßen, er zierte die Titel der internationalen Presse und füllte die Klatschspalten, und auch die Filmindustrie in Kalifornien vermarktete seinen schon damals ikonenhaften Namen mit Begeisterung. Es galt: Wo Elvis drauf steht, ist Kohlescheffeln drin. Alles gut also? Nicht für den großen, gutaussehenden, schwerreichen Mann aus Mississippi.

Der zweijährige Elvis ca. 1937 mit seinen Eltern  Gladys und Vernon Presley

Live in St. Petersburg, florida
7. August 1956
Elvis beendete eine Konzerttour in Florida mit den Blue Moon Boys mit gleich drei Konzerten in St. Petersburg – ein anstrengendes Programm, bei dem er jeweils ab 15.30 Uhr, 19.30 Uhr und 21.30 Uhr im mittlerweile abgerissenen Florida Theatre drei volle Shows ablieferte. Drei Jahre später kehrte Elvis nach St. Petersburg zurück und trat im September 1976 vor 8.000 Fans im Bayfront Center auf, und im Februar 1977 gleich noch einmal. Bei letzterem Konzert war er besonders gut in Form und schenkte einem begeisterten Fan in der ersten Reihe eine Gitarrensaite, die ihm beim Spielen von „C.C.Rider“ gerissen war. Das Bayfront Center wurde 2004 abgerissen, auf dem Gelände entstand dafür das mittlerweile berühmte Dalí Museum, das die größte Sammlung von Werken Salvador Dalís außerhalb Europas beherbergt.
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Elvis Aaron Presley, am 8. Januar 1935 in der Kleinstadt Tupelo geboren, hat in nur 42 Lebensjahren Unglaubliches erreicht. Vom armen, schüchternen Jungen hat er es zum millionenschweren, weltweit verehrten Idol gebracht. Über Jahre hinweg war er der größte Star der Welt, der erste Superstar in der Geschichte der Unterhaltungsindustrie. Doch neben all den Filmen, Frauen und Autos; neben dem Glamour, dem Hüftschwung und dem weißen Glitzeranzug, den er gegen Ende seines Lebens monströs zur eigenen Parodie ausfüllte – neben diesen Monolithen der Popkultur steht das Destillat seines Lebens:
die Musik. Seine Musik.
Ab dem Tag, als ihm, dem elfjährigen Knirps, seine Mutter im Eisenwarenladen Tupelo Hardware eine billige Akustikgitarre kaufte, war Elvis von Musik besessen. Er war: ein Naturtalent. Ein genialer Musiker und Sänger. Das zeigte sich auch 1954, als er zu den Probeaufnahmen in das Sun Records-Studio in Memphis kam. Und er war von sich überzeugt. Marion Keisker, die Tontechnikerin bei Sun Records, fragte ihn, welche Songs er denn so singe.
Elvis antwortete ihr, dass er „alles mögliche“ singe. Und als sie ihn fragte, wie er klinge, welchem Sänger er ähnele, antwortete der 19-jährige Lastwagenfahrer mit den imposanten Koteletten kess: „Ich klinge überhaupt nicht wie irgendwer anderer.“ Wie Recht er hatte. Doch um seine Ausnahmestellung zu beweisen, bedurfte es erst des richtigen Songs – eines Titels wie „That’s All Right, Mama“, ein treibender, genauso im Blues wie im Rock ´n´ Roll angesiedelter Song aus der Feder des schwarzen Rhythm and Blues-Sängers Arthur Crudup. Mit diesem Song nahm Elvis Genre-Hürden, brach er die Regeln und Gesetze der Musikindustrie. Mit Elvis hatte der Sun Records-Chef Sam Phillips genau den Mann, den er schon seit langem gesucht hat – einen weißen Sänger mit rabenschwarzer Stimme. „Wenn ich so einen finde, mache ich Millionen“, prophezeite Philipps noch Monate vor den Aufnahmen. Er sollte Recht haben. Doch selbst das größte Talent muss gehegt und gepflegt und gefordert werden.

Elvis hört in seiner Mietwohnung  in Deutschland  Musik.

Elvis zu High-School-Zeiten in Tupelo – Schulfoto von 1948.

„Das ist ihm 1969 klar geworden, er wollte es noch mal so richtig wissen“, fährt Reggie Young in seinem Rückblick auf die Aufnahmen zu dem Album „From Elvis In Memphis“ fort. Und die Musiker um Reggie Young und den Klavierspieler Bobby Wood waren dafür genau die richtigen Begleiter. Auch weil die gestandenen Sessionmusiker mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg hielten. „Er war es ja längst nicht mehr gewöhnt, Kritik zu hören“, sagt Young, „er wurde wirklich wie ein König behandelt.“ Schmunzelnd erinnert er sich daran, wie jedes Mal sechs Feuerzeuge seiner Entourage gleichzeitig aufflammten, sobald sich Elvis einen Zigarillo in den Mund steckte. Eine ehrliche Meinung war aus diesem Umfeld nicht zu erwarten. „Wir aber sagten ihm, dass das ursprünglich für das Album geplante Songmaterial nichts tauge. Er war irritiert – aber er hörte schließlich auf uns.“ Eine gute Entscheidung. Mit rasanten, gefühlvollen und auch anspruchsvollen Kompositionen wie „In The Ghetto“, „Any Day Now“ und „I’m Moving On“ erklomm Elvis erneut die höchsten Sphären der Pop-Musik. Warum? Weil er wie kein zweiter künstlerische Qualität mit mehrheitstauglichen Melodien zu seinem ureigenen Klang verknüpfte. Elvis war wieder: der King.

Am 3. März 1960 kehrt Elvis von seiner Militärzeit in Deutschland zurück. Er landet in einem Schneegestöber auf der McGuire Air Force Base in New Jersey.

Davon war Elvis noch weit entfernt, als er Anfang der 50er Jahre die Bekanntschaft mit Wayne Jackson machte. Der aus Memphis, Tennessee, stammende, Mitte 2015 verstorbene Trompeter gehörte zu den erfolgreichsten Instrumentalisten der Musikgeschichte. Bevor der 15-malige Grammy-Gewinner eine Karriere als Studio- und Live-Musiker startete, prägte er in den 1950er Jahren maßgeblich den Sound seiner Heimatstadt. Kein Wunder, dass auch Elvis regelmäßig zu den Konzerten seiner Band The Mar-Keys ging. „Ich stand zusammen mit meinem Bandkollegen Andrew Love auf dem Parkplatz vor einem Club, als dieser große, schlaksige und wirklich beeindruckend gut aussehende Typ auf uns zukam“, schilderte Wayne Jackson sein erstes Treffen mit Elvis. „Wir haben gemeinsam eine Zigarette geraucht und uns unterhalten.“ Elvis habe von den damals bereits etablierten Musikern wissen wollen, wie sie ihren Sound so hinbekämen, worauf es ankäme, damit Rhythmus und Melodie einen unwiderstehlichen Sog entwickelten. „Er war neugierig“, sagte Jackson, „aber ungeheuer nett. Wir haben ihm gerne alles erzählt, was wir über das Musikmachen wussten.“
Elvis hat das nie vergessen. Wayne Jackson wurde in den folgenden Jahren zu einem seiner besten Freunde. Er war Stammgast in seiner, für heutige Maßstäbe eher klein dimensionierten Villa Graceland. „Er liebte es, mit seinen Freunden im Wohnzimmer abzuhängen“, sagte Jackson, „Western im Fernsehen anschauen, Billard spielen, Musik machen. Das ging meist die ganze Nacht durch.“ Als vielbeschäftigter Studiomusiker musste der Trompeter allerdings am nächsten Tag meist früh raus, deshalb blieb er häufig nicht so lange – was Jackson gegen Ende seines Lebens bereute. „Wäre ich damals nur nicht so verdammt pflichtbewusst gewesen“, sagte er im Interview, „die Zeit mit ihm war ja so kostbar.“

Fotoshooting für Elvis‘ erste Konzertreihe 1956  in Las Vegas, im New Frontier Hotel.

Henry Harrison amüsiert sich noch heute köstlich über das vor 64 Jahren erlebte. Alleine die Vorstellung, dass es einmal eine Zeit in seinem Leben gab, zu der er nicht wusste, wer Elvis war, scheint für ihn grotesk zu sein. „Ich habe ihn dann natürlich auch in der Schulaula erlebt – und ich wusste sofort, dass aus diesem gutaussehenden Typen etwas ganz Großes wird. Das habe ich gespürt. Sofort. Und den Moment werde ich nie vergessen.“

In den nächsten Jahren kreuzten sich immer wieder die Wege von Elvis und dem aufstrebenden Boxer Henry Harrison. Man kannte sich. Man grüßte sich. Auch als Elvis schließlich zu genau der kometenhaften Karriere ansetzte, die ihm Henry schon in der Schulaula prophezeite. „Er war ein richtig feiner Kerl“, erinnert er sich, „unglaublich großzügig.“ So habe Elvis immer wieder Obdachlosen geholfen und ihnen Geld geschenkt. Oft richtig viel Geld: „Wenn er so einen armen Kerl auf der Straße gesehen hat, hat er ihm spontan auch mal 1.000 Dollar in die Hand gedrückt. Einfach so!“

Elvis bei den Aufnahmen für die TV-Sondersendung „Elvis“ im Juni 1968

Elvis in seiner Garderobe am Filmset von „Harum Scarum“ im Frühjahr 1965.

Ob Reggie Young, Wayne Jackson oder Henry Harrison: Alle seine früheren Weggefährten schwärmen bis heute vom großen, einzigartigen Elvis, vom König des Rock ´n´ Roll. Für sie steht fest: So einen wie ihn wird es nie wieder geben. Sie stehen mit dieser Meinung nicht alleine da.

Elvis bei seinem Auftritt in der TV-Show “Aloha From Hawaii” im Januar 1973.  Das Konzert wurde weltweit per Satellit  übertragen.

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Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Frühling 2017

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