JFK
John F. Kennedy
Einer wie keiner – Umfragen bestätigen immer wieder, dass John Fitzgerald Kennedy der wohl berühmteste Präsident in der Geschichte der USA ist. Angesichts seiner nur kurzen Amtszeit erscheint die Erinnerung an seine 1.000 Tage im Weißen Haus umso bedeutsamer. Zwar gilt auch für JFK: je größer die Begeisterung für einen Menschen ist, desto größer oft auch die Kritik. Dennoch ist das politische sowie soziale Erbe Kennedys unleugbar.
Ein Rückblick…
text Isobel Jones
Lässt man einmal all die Mythen und Geheimnisse beiseite, die sich um den charismatischen, vielseitigen und hochintelligenten Staatsmann John Fitzgerald Kennedy [1917-1964] ranken, so halten viele Experten seine politischen Errungenschaften als Präsident geschichtlich betrachtet für eher bescheiden. Dennoch darf man natürlich nicht vergessen, wie kurz seine Amtszeit war, bevor er so tragisch vor den Augen der ganzen Welt ermordet wurde.
1961 wurde Kennedy vom TIME-Magazine zum Mann des Jahres gewählt: „Schon im ersten Jahr seiner Präsidentschaft hat John F. Kennedy vielversprechende Führungsqualitäten gezeigt […].Wenn er diese ausbauen kann, wird er zu einem ganz großen Präsidenten.“ Rückblickend betrachtet erscheinen die Jahre unter Kennedy vielen – ob zu Recht oder zu Unrecht – als goldenes Zeitalter.
1960 setzte er sich knapp gegen Richard Nixon durch und wurde so nicht nur zum 35. Präsidenten der USA, sondern auch zum ersten amerikanischen Präsidenten römisch-katholischen Glaubens. Außerdem war er der jüngste Amtsinhaber in der Geschichte, bevor er infolge des im November 1963 in Dallas (Texas) auf ihn verübten Anschlags auch so früh wie kein anderer Präsident seines Landes verstarb. Innerhalb kürzester Zeit war seine 14-minütige Antrittsrede daraufhin in aller Munde. Der Redenschreiber Theodore Sorensen hatte diese zusammen mit dem neugewählten Präsidenten Anfang Januar 1961 auf dem Anwesen der Kennedys in Palm Beach ausgearbeitet. Rückblickend war für Theodore Sorensen (der 2010 im Alter von 82 Jahren verstarb) der wohl bedeutendste Satz dieser beeindruckenden Rede nicht etwa „Frag nicht, was Dein Land für Dich tun kann, sondern was Du für Dein Land tun kannst“, sondern „Denn nur wenn es über die Wirksamkeit unserer Waffen keinen Zweifel geben kann, können wir ohne Zweifel sicher sein, dass sie niemals eingesetzt werden.“ Laut Theodore Sorensen fasst vor allem diese Botschaft von Frieden durch Stärke „die Politik Kennedys kurz und treffend zusammen.“
„„wir sind mit dem Ozean verbunden. Und wenn wir ans Meer zurückkehren, ob zum segeln oder um es zu beobachten, dann gehen wir dahin, wo wir herkamen“
John F. Kennedy
Dieser Aufruf Kennedys spiegelt aber in vielerlei Hinsicht auch seine eigene bemerkenswerte politische Laufbahn wider: „… die Fackel [wurde] weitergereicht […] an eine neue Generation von Amerikanern – geboren in diesem Jahrhundert, gehärtet durch Krieg, diszipliniert durch einen harten und bitteren Frieden.“ All das wurde von ihm selbst verkörpert, der nun die Fackel hielt als eines der führenden Staatsoberhäupter einer Welt, deren Ordnung sich rasant veränderte. Zu diesem Zeitpunkt hatte es noch keinen Flug ins All und keine Rassenunruhen im Süden der USA gegeben. Auch war die Welt noch nicht knapp an einer atomaren Katastrophe vorbeigeschrammt, wie später 1962 während der Kubakrise.
Während seiner Amtszeit musste sich Kennedy durch ein wahres Minenfeld politischer Herausforderungen arbeiten. Da waren zum einen die Bedrohungen durch den Kommunismus und den Kalten Krieg, einschließlich der Invasion der Schweinebucht und der Kubakrise. Gerade letztere verlangte Kennedy alles an Mut und diplomatischem Geschick ab, was er zu bieten hatte. Zum anderen zeichnete sich zu dieser Zeit auch das einsetzende militärische Engagement der USA in Vietnam ab. Im eigenen Land wiederum hatte er sich auf die Fahne geschrieben, die USA wirtschaftlich wieder schnellstmöglich auf die Beine
zu bringen.
Mit seinem Wirtschaftsprogramm wurde das wohl nachhaltigste Wirtschaftswachstum seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eingeleitet. Vor seinem Tod hatte er noch Pläne zu einem groß angelegten Kampf gegen immer noch herrschende Armut und wirtschaftliche Not ausgearbeitet. Aufgrund der wachsenden Bürgerrechtsunruhen und des Drängens seines Bruders Robert als damaligen amerikanischen Justizministers erließ er umfassende Bürgerrechte und unterzeichnete schließlich die entsprechenden Verordnungen zur Durchsetzung der Aufhebung der Rassentrennung im öffentlichen Wohnungswesen und ordnete alle behördlichen Maßnahmen dazu an. Auch setzte sich Kennedy sehr dafür ein, dass die USA wieder ihrer Berufung als Vorreiternation bei der Revolutionierung der Menschenrechte nachkam. Mit der Gründung des Fortschrittsbündnisses und des Friedencorps wollte er auch anderen Nationen den amerikanischen Idealismus näherbringen und sie damit unterstützen.
„Manche Menschen sehen die Dinge, wie sie sind, und
sagen: ‚Warum?‘ Ich träume von Dingen, die es nie gab, und sage: ‚Warum nicht?‘“
John F. Kennedy
Am 26. Juni 1963, genau 22 Monate nachdem die DDR mit der Unterstützung der damaligen Sowjetunion die Berliner Mauer errichtet hatte, um der Flüchtlingswelle in den Westen Einhalt zu gebieten, reiste John F. Kennedy zu einem Staatsbesuch nach West-Berlin. Dabei wurde er vom damaligen Kanzler Konrad Adenauer und dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt empfangen. In der mittlerweile weltberühmten Rede, die wohl zu seinen besten gehört, bekräftige er die Unterstützung der BRD durch die USA, betonte seine Hoffnung auf eine deutsche Wiedervereinigung und stellte auf die unterschiedliche Philosophie von Kapitalismus und Kommunismus ab. Von einem Rednerpult direkt auf den Stufen des Schöneberger Rathauses aus sprach er die berühmten Worte: „Ich bin ein Berliner.“ Mit dieser Botschaft sandte er ein klares Signal der amerikanischen Politik sowohl an die Sowjetunion als auch an die Berliner Bevölkerung: „Die Freiheit ist unteilbar, und wenn auch nur einer versklavt ist, dann sind nicht alle frei.“
Die Präsidentschaft Kennedys hatte sich aus den großen Erwartungen einer bekannten irischen Einwandererfamilie heraus entwickelt. Geprägt wurde die Familie über Generationen hinweg von den Sphären der Politik, angeführt durch Kennedys Großväter: Patrick J. Kennedy wurde 1862 in Boston geboren, 12 Jahre nachdem sein Vater die ärmlichen Verhältnisse in Irland hinter sich gelassen hatte. Er arbeitete als Barbesitzer und Lokalpolitiker, der schließlich sogar ins Abgeordnetenhaus der Stadt gewählt wurde und seinem Sohn Joe den Besuch der Lateinschule von Boston und der Harvard-Universität ermöglichen konnte.
Kurz vor dem Amtsantritt von Kennedy erklärte Multimillionär und Familienoberhaupt Joseph P. Kennedy alias Joe, wie glücklich er darüber sei, dass einer seiner vier Söhne es an die Spitze des Landes geschafft habe. Gelungen war dies John F. Kennedy dank seines
Elternhauses und seiner großen Ambitionen bei der Präsidentschaftskandidatur, deren Grundstein er mit seiner beeindruckenden Laufbahn im Repräsentantenhaus und Senat sowie seiner durchdachten Wahlkampftour gelegt hatte.
Bei seiner Kandidatur für das Amt des Präsidenten 1960 wurde ihm oft vorgeworfen, dass er zu jung und unerfahren sei. Damals waren Vorurteile gegenüber Katholiken in den USA immer noch sehr verbreitet und durchaus salonfähig, so dass seine Religionszugehörigkeit tatsächlich als großer Stolperstein seiner politischen Laufbahn galt. Doch mit seiner Wahlkampstrategie gelang es Kennedy nicht nur, mit diesen Vorurteilen endgültig aufzuräumen, sondern auch als Teil einer viel größeren Bewegung zu einer Erneuerung der gesamten katholischen Gedankenwelt und Kultur in den USA beizutragen. Das führte schließlich dazu, dass die eigene Religionszugehörigkeit eine immer kleinere Rolle in der politischen Landschaft der USA spielte, wie dann später auch die Präsidentschaftsambitionen anderer aus Massachusetts stammender Politiker zeigen konnten: etwa der katholische John Kerry 2004 und der Mormone Mitt Romney 2012.
Als Kennedy Präsident wurde, hatte er gerade noch einmal enorm an
Popularität gewonnen. Die Gründe für seine große Beliebtheit waren vielfältig: Zunächst einmal galt er als echter Kriegsheld. Die Geschichte, wie er als Befehlshaber eines PT-Schnellbootes auf den Salomonen von einem japanischen Zerstörer gerammt worden war, wurde in Büchern, einem Film und zahllosen Beiträgen in Zeitschriften, Zeitungen und im Fernsehen immer wieder aufgegriffen. Zudem zählten der neue Präsident, seine äußerst attraktive Ehefrau und ihre kleinen Kinder wohl zu den photogensten Präsidentenfamilien der Geschichte. Die ganze Nation war begeistert von ihrem Geschmack und Lebensstil, was sich in einem ausgeprägten Jack-und-Jackie-Kult niederschlug.
„Denn nur wenn es über die Wirksamkeit unserer Waffen keinen Zweifel geben kann, können wir ohne Zweifel sicher sein, dass sie niemals eingesetzt werden“
John F. Kennedy, November 1960
Kennedy pflegte sein Image mit äußerst großem Geschick, so dass sich heute selbst nach dem Zutagetreten von Beweisen für seine privaten Fehltritte Mythos und Wahrheit nur schwer auseinanderhalten lassen. Hinter der Fassade des jugendlich-vitalen Mannes verbarg sich beispielsweise eine lange Krankheitsgeschichte. Und während Kennedy sich stets als Familienmensch inszenierte, war er in Wahrheit ein großer Schürzen-jäger. Hätte man das damals schon gewusst, so hätte das seiner Regierung sehr geschadet. Doch seiner persönlichen Anziehungskraft konnte sich niemand so recht entziehen. In einem Interview aus dem Jahre 2006 berichtete sein Mitarbeiter Sorensen, dass er noch heute manchmal von ihm träume. Sorensens Ergebenheit hat nie nachgelassen, auch nicht, als Kennedys außerehelichen Verhältnisse bekannt wurden. In seinen Memoiren schrieb Sorensen, dass es falsch gewesen sei und Kennedy das auch gewusst habe. Daher habe er alles erdenklich Mögliche getan, um seine Affären geheimzuhalten. Doch in allen anderen Lebensbereichen, so Sorensen, sei Kennedy stets ehrlich und aufrichtig gewesen, insbesondere in seinem Amt. jfklibrary.org