Lebende Legende Quincy
Musiker, Komponist, Bandleader, Produzent, Aufnahmeleiter – all das ist Quincy Jones. Und ein begeisterter Unterstützer des Montreux Jazz Festival. Ein Glücksfall, findet Festivaldirektor Mathieu Jaton
text von Mathieu Jaton foto von Marc Ducrest
Nächsten Sommer findet das 50. Montreux Jazz Festival statt – und ich kann es mir ohne Quincy Jones einfach nicht vorstellen. Aufgrund seiner engen Freundschaft mit meinem Mentor, dem inzwischen verstorbenen Gründer des Festivals, Claude Nobs, der den Musiktreff am Ufer des Genfer Sees zu einem internationalen Phänomen machte, ist er bei dem Event schon seit Langem eine feste Größe. Quincy und Claude hatten eine besondere Verbindung zueinander. Nach eigenen Aussagen waren sie füreinander „wie Brüder“ und teilten die Vision, die Veranstaltung mit diversen Musikrichtungen, wie Rock, Blues und andere Genres, musikalisch breiter anzulegen, als der Begriff „Jazz-Festival“ es zunächst vermuten lässt. Zur Liste der in Montreux bereits aufgetretenen Musiker gehören nicht nur Jazzgrößen wie Ella Fitzgerald, Nina Simone und Miles Davis, sondern auch Künstler wie Bob Dylan, Prince, B. B. King und Stevie Wonder sowie zahlreiche talentierte Newcomer aus aller Welt.
Quincy Jones unterstützte Claude Nobs zunächst im kreativen Bereich, ehe ihre Zusammenarbeit mit der gemeinsamen Produktion des Festivals zwischen 1991 und 1993 ihren Höhepunkt erreichte. Auf einem inzwischen legendären Konzert 1991 trat Miles Davis, für den eine Wiederaufführung seiner älteren Stücke zuvor nie infrage kam, zusammen mit einer von Quincy Jones dirigierten Big Band auf. Nach Claudes Tod 2013 war ich mir nicht sicher, ob Quincys persönliches Engagement für das Festival uns erhalten bleiben würde. Schließlich lebt der im März 2015 82 Jahre gewordene 27-fache Grammy-Gewinner und Produzent von einigen der meistverkauften Alben der Welt, der mit Künstlern wie Frank Sinatra oder Michael Jackson gearbeitet hatte, in Los Angeles und kann seine Projekte nach Belieben wählen. Doch sein Engagement für das von ihm als Rolls-Royce unter den Jazz-Festivals bezeichnete Event ist weiterhin ungebrochen: Letzten Sommer blieb er zwei Wochen vor Ort, in denen er mit seinem kreativen Einfluss dem Festival nach wie vor eine wichtige Stütze war und neue Talente mehr als je zuvor gefördert hat. Die Idee, ins Musikmanagement einzusteigen, kam ihm 2006 in Montreux nach einem Auftritt des avantgardistischen kubanischen Jazz-Pianisten Alfredo Rodríguez, der keinen Manager und schon gar keinen Plattenvertrag hatte. Ein beeindruckter Herr Jones offenbarte Herrn Rodríguez, dass er mit ihm arbeiten wolle. Er sagte, er sähe sich selbst in diesen jungen Jazz-Musikern. Wie sie wurde auch er schon in jungen Jahren professioneller Trompeter, der mit Lionel Hampton auf Tour war.
Quincy Jones ist ein herzlicher Mann mit sehr viel Charme und einer phänomenalen Energie. Ich bewundere seine Kreativität, Aufgeschlossenheit und Großzügigkeit. Wie Claude Nobs hat auch er keine Angst vor Risiken. Er ist uns eine ständige Inspiration. Mit ihm an meiner Seite ist es, als ob Claude, mit dem ich 20 Jahre zusammengearbeitet habe, wieder da ist. Sie haben die gleiche Denkweise, den gleichen grenzenlosen, verrückten Ideenreichtum. Bei seiner Ankunft in Montreux sagt er jedes Mal, wenn er aus dem Auto aussteigt: „Hey, ich bin wieder zu Hause.“ Das Festival-Team ist wie eine große Familie.
montreuxjazzfestival.com
Im Juni 2013 nahm die UNESCO 5.000 Stunden vom audiovisuellen Bestand
des Montreux Jazz Festival in sein internationales Verzeichnis „Memory of the World“ auf, das als Pendant zum Weltkultur- und Naturerbe dem Erhalt
des dokumentarischen Erbes der Menschheit dienen soll. Dieser Bestand an Live-Musik-Aufnahmen von 1967 bis 2012 stellt eine Zeitleiste der stilistischen Einflüsse der frühen Formen des Jazz bis in die heutige Zeit dar.
„Ich habe das große Vergnügen, Quincy Jones seit 20 Jahren zu kennen. Ich bewundere sein vielfältiges Leben als Trompeter, Komponist, Arrangeur, Bandleader, Plattenproduzent, Aufnahmeleiter und Geschäftsmann, Autor sowie Wohltäter. Ihm liegt Jazz als Kunstform sehr am Herzen. Er setzt sich mit Leidenschaft und Redegewandtheit dafür ein, dass junge Amerikaner ihr musikalisches Erbe kennen-lernen“
John Edward Hasse Musik-Kurator, Smithsonian Museum
„Bei seiner Ankunft in Montreux sagt Quincy jedes Mal, wenn er aus dem Auto aussteigt: ‚Hey, ich bin wieder zu Hause!‘“
Mathieu Jaton, Direktor des Montreux Jazz Festival
Quincy Jones 1980; Grammy Awards, Los Angeles 1986
Dionne Warwick, Stevie Wonder, Quincy Jones, Michael Jackson und Lionel Richie feiern die vier Grammys für ihr Benefiz-Lied „We Are The World“, das u.a. als Song des Jahres ausgezeichnet wurde. Letzterer Preis ging an seine Songschreiber Lionel Richie und Michael Jackson, die anderen drei gewann Quincy Jones als Produzent