MONTE VERITÀ
Der Monte Verità (wörtlich übersetzt Wahrheitsberg) in Ascona war seit Beginn des 20. Jahrhunderts Schauplatz vieler kultureller Ereignisse und diente als populäre Anlaufstelle für Utopisten, Sinnsucher und Lebensreformer
text Isobel Jones
Besucher des beliebten Ferienorts Ascona in der italienischen Schweiz, im südlichsten Kanton Tessin, sollten es nicht versäumen, einen Ausflug auf den Hügel Monte Verità einzuplanen. Denn bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts etablierte Monte Verità sich als ein Zentrum für Esoterik und Gegenkultur. Naturverbundene Utopisten wie die Pianistin und Frauenrechtlerin Ida Hofmann, der Industriellensohn Henri Oedenkoven und die vor der Industrialisierung fliehenden Brüder Karl und Gustav Arthur (Gusto) Graser gründeten 1900 eine Siedlungsgemeinschaft für Vegetarier, die das Leben in der Natur, freie Liebe und Nudismus propagierte.
Ihre Art des Zusammenlebens zog unter anderen Hermann Hesse, Carl Gustav Jung und Isadora Duncan an. Ihrem Beispiel folgten Künstler, Okkultisten, Revolutionäre, Theosophen – und Spione. Zu den zahlreichen illustren Besuchern zählten auch Erich Maria Remarque sowie Freuds Schüler und Psychoanalytiker Otto Gross, ein Liebhaber von Frieda von Richthofen (die wiederum später die Frau von D.H. Lawrence wurde).
Von 1923 bis 1926 war Monte Verità ein von drei Künstlern betriebenes Hotel, bis der Vermögensverwalter des einstigen deutschen Kaiser Wilhlem II – und einer der größten Sammler zeitgenössischer, orientalischer und primitiver Kunst – Baron Eduard von der Heydt es erwarb. Nach seinem Tod 1964 ging Monte Verità in Staatseigentum über und wird gemäß seiner testamentarischen Verfügung für kulturelle Events genutzt.
Heute ist Monte Verità ein modernes Kongress- und Kulturzentrum. Das Restaurant, das Hotel im Bauhausstil und der sieben Hektar große Park sind für die Öffentlichkeit zugänglich.
Auf den Hängen stehen immer noch drei Original-Gebäude der Siedlung. In dem charmanten Holzhäuschen Casa Anatta mit seinen geschwungenen Dächern und Rundfenstern ist ein faszinierendes Museum untergebracht, dessen Gründer Harald Szeemann auf den Spuren der geheimen Geschichte von Monte Verità kreuz und quer durch Europa reiste.
Zu den drei weiteren Museen gehören die 1901 erbaute Licht-Luft-Hütte Casa Selma, das 1905 erbaute Russenhaus und der in den 1980ern erbaut Elisarion-Pavillon, in dem das auf einer runden Leinwand gemalte Bild „Chiaro mondo dei beati“ von Elisar von Kupffer aus-gestellt ist.