Muhammad Ali
Der 2016 verstorbene dreifache Boxweltmeister im Schwergewicht war eine der berühmtesten Sportikonen des 20. Jahrhunderts. Darüber hinaus nutzte der durch seine Fähigkeiten und sein Leben schon fast als Superheld zu bezeichnende Ali seine Schlagkraft jedoch weit über den Ring hinaus und engagierte sich auch für soziale sowie politische Belange
text Peter Gruenberg
Aus den für das Boxen so wichtigen Elementen wie Schnelligkeit, Anmut, Beweglichkeit und Kraft entwickelte Muhammad Ali seinen unkonventionellen und einzigartigen Boxstil, der ihn geradezu durch den Ring tänzeln ließ und so die Zuschauer in seinen Bann zog. Ergänzend zu seinen Fähigkeiten, seinem Esprit und seinem guten Aussehen strotzte er nur so vor Selbstbewusstsein.
„Mein Mentor und mein Freund.
Er hat mein Leben verändert“
Will Smith
Der unter dem Namen Cassius Marcellus Clay Jr. am 14. Januar 1942 in Kentucky geborene zukünftige Weltmeister war der Sohn eines Schildermalers und einer Hausangestellten. Sein Großvater väterlicherseits, Herman Clay, war ein verurteilter Mörder; sein Urgroßvater väterlicherseits aller Wahrscheinlichkeit nach ein Sklave. Der junge Cassius Clay wuchs in armen Verhältnissen auf. In der Schule hatte er mit einer Leseschwäche zu kämpfen, die laut seiner Frau Lonnie Ali vermutlich auf Legasthenie zurückzuführen ist. Er verdankte es dem Zufall, dass er im Alter von zwölf Jahren sein Box-Talent entdeckte: Als er den Diebstahl seines Fahrrads bei der Polizei anzeigte, schlug der zuständige Beamte dem wütenden Cassius vor, sich einer Gruppe aus jungen schwarzen und weißen Boxern anzuschließen, die in einer Sporthalle im Stadtzentrum von Louisville trainierten. Sechs Jahre später, mit gerade 18 Jahren, ließ er sich von der Schule beurlauben, um die USA bei den Olympischen Spielen in Rom zu vertreten, bei denen er die Goldmedaille im Halbschwergewicht gewann.
Als Kind konnte er nicht stillsitzen. Er konnte sehr früh laufen und sprechen. Sein Geist war wie der Märzwind, der in alle Richtungen bläst.
Odessa Grady Clay, Ali’s mother
Kurz darauf wurde er Boxprofi. Für sein Boxduell mit Schwergewichtsweltmeister Charles „Sonny“ Liston qualifizierte er sich mit einer Serie von 19 siegreichen Kämpfen. Liston war der gefürchtetste Boxer seiner Zeit, und die über das Duell berichtenden Reporter sahen allesamt keinerlei Chance für Clay. Zu Beginn des Kampfes merkten sie jedoch schnell, dass Cassius Clay größer und viel schneller als Liston war. Erbarmungslos griff er seinen Gegner mit Jabs und Schlagkombinationen an, bis dieser in der sechsten Runde aufgab. „Ich bin der Größte“, brüllte der neue Weltmeister im Anschluss ins Mikrofon eines Radioreporters. „Ich bin der Größte! Ich bin der König der Welt!“
„Schweben wie ein Schmetterling, stechen wie eine Biene“ – so beschrieb Ali seinen Boxstil, mit dem er so viele legendäre Kämpfe bestritten hatte. Unvergessen sind der „Fight of the Century“ (Boxkampf des Jahrhunderts) sowie der „Thrilla in Manila“ gegen Joe Frazier und der „Rumble in the Jungle“ 1974, als er im Alter von 32 Jahren mit einem Sieg gegen George Foreman in Kinshasa, Zaire (heute Demokratische Republik Kongo), alle mit Ausnahme seiner selbst überraschte und sich den WM-Titel zurückholte.
Muhammad Ali war aber nicht nur einer der größten Boxer aller Zeiten, auch jenseits des Rings setzte er sich mit seiner Eloquenz und seinem Verstand für gute Zwecke ein und hinterlässt so auch als Philanthrop ein andauerndes Vermächtnis. „Wenn ich in den Ring steige“, so einst Ali, „denke ich an Gott und an all die Menschen, die überall in den Vereinigten Staaten in Ghettos leben. Ich habe alle Heuchler in einflussreichen Positionen im Visier. Ich kämpfe für meine Freiheit. Dabei ruht die Hoffnung meiner 30 Millionen schwarzen Mitbürger auf mir, und das ist meine Mission.“ Kurz nach seinem Olympia-Sieg 1960 fing er an, seine Ambitionen sowie gesellschaftliche Fragen öffentlich zu diskutieren. Es entwickelte sich eine enge Freundschaft mit Malcom X, Führer der Bürgerrechtsbewegung, der ihn für die separatistische afroamerikanische Sekte „Nation of Islam“ rekrutierte. Gleich nach dem Gewinn des WM-Titels 1964 nahm er den von der Nation of Islam für ihn ausgewählten Namen an und erklärte: „Cassius Clay war der Name eines Weißen, und ich bin kein Clay mehr, ich bin kein Sklave mehr, ich bin Muhammad Ali.“ Es war ein umstrittener Schritt zu einer Zeit, in der das FBI und viele Journalisten die muslimische Gruppe als gefährliche Sekte bezeichneten, die sich die Zerstörung Amerikas auf die Fahne geschrieben hatte. Kein Sportler in den USA hatte je zuvor so in der Öffentlichkeit Stellung bezogen. Nicht nur hatte er seine Religion geändert, in Interviews mit Medienvertretern machte er während seiner Karriere auch keinen Hehl daraus, dass Bürgerrechte und andere gesellschaftliche Probleme ein wichtiger Teil seines Vermächtnisses sein würden.
„Ali war eine Quelle der Inspiration für mich“
Nelson Mandela
Auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs wurde er von der amerikanischen Armee eingezogen. Seine Wehrdienstverweigerung – etwas, das zu dieser Zeit bei der breiten Masse in höchstem Maße verpönt war, löste einen Sturm der Empörung aus. Er musste Beschimpfungen von allen Seiten einstecken, insbesondere von den Weißen. Reportern sagte er: „Mann, ich habe keinen Streit mit den Vietcong.“ Dem noch ungeschlagenen Ali, der damals wohl bis auf Weiteres den amerikanischen Boxsport dominiert hätte, wurden seine Titel aberkannt und für drei Jahre seine Boxlizenz entzogen. Seine Karriere war zunächst beendet. Ali sagte, er wisse nicht, warum die USA Dunkelhäutigen am anderen Ende der Welt ihren Willen aufzwingen sollten. Mit dieser Botschaft zog er durchs Land und sprach an Universitäten, was ihm viel Respekt von Martin Luther King einbrachte, der die Kriegsdienstverweigerung des Boxers als „Akt großen Mutes“ bezeichnete. Als der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten das wegen Alis Wehrdienstentziehung erlassene Urteil aufhob, war der Großteil der Bevölkerung in den USA bereits gegen den Vietnamkrieg, und überall gab es Proteste. Alis Auflehnung gegen das Establishment machte ihn zum Helden, selbst für Menschen, die kein Interesse am Boxsport hatten. Mitte der 1970er-Jahre galt er als der größte Sportstar der Welt und wurde 1975 von Präsident Gerald Ford als Ehrengast ins Weiße Haus eingeladen.
„Es gibt nur einen Cassius Clay. Gott Sei dank.“
Angelo Dundee, Alis trainer
Nach seinem durch einen Sieg im Revanchekampf gegen Leon Spinks errungenen dritten WM-Titel im Schwergewicht erklärte Ali seinen Rücktritt. Es kam 1980 noch einmal zu einem kurzen Comeback im Ring, als er gegen seinen alten Sparring-Partner Larry Holmes antrat. Zu diesem Zeitpunkt litt er aber vermutlich schon unter den ersten Anzeichen seiner Parkinson-Erkrankung.
„Er ist der großartigste Mensch, den ich je getroffen habe“
George Foreman
Alis Boxkarriere endete schließlich 1981 mit einem letzten Duell gegen Trevor Berbick. Seine bemerkenswerte Kampfbilanz umfasst 56 Siege darunter 37 durch K.o. und fünf Niederlagen. Aufgrund seiner Krankheit war das Sprachvermögen des einst wegen seiner frechen Kampfansagen als „Louisville Lip“ bezeichneten Mannes am Ende des Jahrzehnts nur noch auf ein Nuscheln beschränkt. Dennoch wurde er zu einer Persönlichkeit von großer symbolischer Bedeutung. Als einer der anerkanntesten und prominentesten Menschen der Welt nutzte er seinen Ruhm, um sich für das Gute einzusetzen. Nach den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 sprach er sich für den Frieden aus, als er erklärte: „Terrorismus gehört nicht zum Islam.“ Als Botschafter des guten Willens war Ali überall auf der Welt unterwegs: Päpste baten um seinen Besuch, in Südafrika verbrachte er Zeit mit Nelson Mandela, und fast jeder Präsident lud ihn ins Weiße Haus ein. Der mit zahlreichen Auszeichnungen geehrte Weltstar rührte uns mit seinem guten Draht zu Kindern, hatte aber auch viele Anhänger unter Politikern und religiösen Oberhäuptern. Im Jahr 2005 verlieh Präsident George W. Bush Ali die Presidential Medal of Freedom und bezeichnete ihn als „erbitterten Kämpfer und Mann des Friedens“.
„Er verzichtet auf Millionen Dollar, um das zu tun, was sein Gewissen ihm sagt.“
Martin Luther King Jr
Selbst als er sich aufgrund seiner Parkinson-Erkrankung nicht mehr in der für ihn so typisch provokanten Art präsentieren konnte und sich in seinen späten Jahren in Schweigen hüllte, umgab ihn immer noch eine Aura, durch die die Menschen ihm weltweit ihre Ehrerbietung entgegenbrachten. Sein langer Kampf mit der Krankheit war eine Triebfeder für die globale Bewunderung, die ihm bereits vor seiner Diagnose zuteil wurde. Er half bei der Gründung des Muhammad Ali Parkinson Center in Phoenix, Arizona, die inzwischen größte Parkinson-Spezialklinik der Welt. Direktorin Dr. Holly Shill zollte Ali Anerkennung: „Ich sah, wie er der Krankheit mit Anmut und Humor begegnete, und er inspirierte unzählige Patienten es ihm gleichzutun.“ Das kann auch Jonathan Eig, Autor von „Ali: a Life“ bestätigen: „Er war bereit, mit zitternden Händen vor die Kamera zu treten…. Dazu war eine ganz andere Art von Mut nötig als im Boxring.“ Menschen, die stark sein müssen, können sich von ihm inspirieren lassen, ob nun in Bezug auf die Black-Pride-Philosophie, die Sinnlosigkeit von Kriegen oder den Umgang mit Altersschwäche. Das macht ihn zu einem der berühmtesten und beliebtesten Sportler der Geschichte. Als er 1996 in Atlanta das olympische Feuer entzündete, zitterte er und war fast stumm. Der einst vor Energie nur so strotzende, redselige junge Champion, der sich selbst als „der Beste“ betitelt hatte, war ein Schatten seiner selbst und kaum noch wiederzuerkennen.
„Er ist faszinierend – Anziehung und Abstoßung in einem Paket… Je weniger wir über ihn nachdenken möchten, desto mehr müssen wir es tun. Dafür gibt es einen Grund. Er ist Amerikas größtes Ego. Er ist zudem… die flüchtigste Verkörperung menschlicher Intelligenz, die wir bislang hatten, er ist der Geist des 20. Jahrhunderts“
Norman Mailer
Ali starb 2016 im Alter von 74 Jahren, aber sein Vermächtnis lebt weiter. „Muhammad Ali war einer der großartigsten Menschen, die ich je getroffen habe. Zweifelsohne gehört er zu den besten Menschen, die zu unserer Zeit gelebt haben“, so der zweifache Boxweltmeister im Schwergewicht George Foreman in Erinnerung an seinen Rivalen. Die zahllosen Gedenkschreiben nach seinem Tod kamen nicht nur aus der Boxgemeinde und Sportwelt. Man gedachte seiner weit darüber hinaus. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton beschrieb ihn als „mutig im Ring, inspirierend für die Jugend, teilnahmsvoll gegenüber Notleidenden sowie tapfer im Umgang mit seinen eigenen gesundheitlichen Problemen, die er stets mit Humor nahm.“
„Er fühlt sich dem Boxen Überlegen, sieht sich als Geschenk an den Boxport, als Held der Geschichte, der einen schmutzigen und undankbaren Sport vorübergehend adelt.“
Robert Lipsyte, sports journalist
„Weil Milliarden unserer Leute in Afrika, Asien und Arabien dich blind lieben, musst du dir für alle Zeiten deiner Verantwortung ihnen gegenüber bewusst sein. “
Malcolm X
„Float like a Butterfly, Sting like a Bee“
Muhammad Ali
SUPERHELDEN IM DUELL, August 1978. Zeichnung von Neal Adams, nach einer Idee von Julius Schwartz, DC Comics, USA
Superman wurde bereits zuvor mit Prominenten wie Präsident John F. Kennedy und Bob Hope in Verbindung gebracht, aber als DC Comics ihn mit Ali abbildete, passte das wie die Faust aufs Auge, da der Boxweltmeister im Schwergewicht selbst fast ein Superheld war. In der Sonderausgabe fordert eine außerirdische Rasse die Menschheit zum Duell, in dem die besten Kämpfer der beiden Spezies gegeneinander antreten sollen. Ali und Superman stellen sich der Herausforderung, um die Erde zu retten. Als Ali argumentiert, dass Superman kein echter Kämpfer des Planeten Erde sei, bestimmt der Anführer der Außerirdischen als Austragungsort den Planeten Bodace, auf dem Superman seine Kräfte nicht nutzen kann. Unter den Zuschauern sieht man viele Stars wie Gerald Ford und Jimmy Carter, Lucille Ball, Andy Warhol sowie fiktive Figuren wie Batman und Lex Luther.