Wo Tradition auf Innovation trifft

Glasbläser bei der Arbeit in der Glasmanufaktur von Poschinger
in Frauenau.

Das Glashandwerk in Ostbayern blickt auf eine über 700-jährige Tradition – und genießt auch heute noch Weltruhm…

text Laura Finzi

Es ist eines der ältesten von Menschen geschaffenen Rohstoffe: Glas. Funde aus Ägypten belegen, dass der filigrane Stoff bereits vor rund 5.500 Jahren hergestellt wurde; rund 2.000 Jahre später entstanden die ersten Hohlgläser. Seinen Siegeszug durch Deutschland startete das fragile Material jedoch erst Jahrtausende später – in Bayern. Eines der ersten Glasfenster entstand im 10. Jahrhundert im Kloster Tegernsee, die Anfänge deutscher Glasmalerei aus dem 11. Jahrhundert finden sich im Dom von Augsburg. Dass die Glasproduktion neben Venedig innerhalb kurzer Zeit auch in Bayern stattfand, belegt ein Schriftstück aus dem Mittelalter: So wurde bereits im 13. Jahrhundert im niederbayerischen Glashütt bei St. Englmar Glas geschmolzen. Seit über 700 Jahren ist die Glasfertigung im Bayerischen Wald belegt; seit über einem halben Jahrtausend auch im Oberpfälzer Wald. Und noch heute wird in Niederbayern und in der Oberpfalz hochwertigstes Glas produziert. „Es gibt in Europa keine andere Region, in der Glas in diesem Umfang hergestellt wird“, sagt Stephan Moder, Projektleiter beim Tourismusverband Ostbayern für die Glasstraße. Der Grund für die reiche Ansammlung an Glasmanufakturen in Ostbayern: Alle für die Herstellung nötigen Bestandteile sind in der Region reichlich vorhanden.
Zu den berühmtesten und ältesten Glasherstellern zählt die Glasmanufaktur von Poschinger in Frauenau. Einst war das mittlerweile in der 15. Generation geführte Familienunternehmen auf Jugendstilglas und edle gläserne Gebrauchsgegenstände spezialisiert. Mittlerweile ist die Glasmanufaktur Europas erste Adresse für Sonder- und Spezialanfertigungen, Spezialist für historische Fenster und Hersteller von exklusiven Ausstellungsstücken. „Bei Manufakturführungen können Besucher hier in die Welt aus Glas eintauchen und einen Einblick in die uralte Handwerkstradition wagen“, so Stephan Moder. Auch von der Qualität und Individualität eines weiteren Glasherstellers aus der Region zeigten sich Herrschaftshäuser aus ganz Europa in der Blütezeit des Glashandwerks vom 17. bis 19. Jahrhundert begeistert. So soll sich der russische Zar besonders filigrane Pokale von den Theresienthaler Glasmachern aus Zwiesel zu Fuß an den russischen Hof geliefert haben lassen und sogar in einer gläsernen Badewanne aus Theresienthal gebadet haben. Einige dieser Gegenstände finden sich im Glasmuseum Passau, mit 30.000 Gläsern das größte Museum zum Europäischen Glas.
Auch heute noch genießen die Produkte aus der durch den Oberpfälzer Wald und den Bayerischen Wald verlaufenden Glasstraße Weltruf. So ist die im gleichnamigen Ort ansässige Firma Zwiesel Kristallglas Weltmarktführer für exklusive Kristallglasserien, die in der gehobenen Hotellerie und Gastronomie ihren Einsatz finden. Nur wenige Kilometer weiter hat sich die JOSKA Kristallwelt mit Glaspokalen einen Namen gemacht: Ski-Stars wie Marcel Hirscher und Felix Neureuther, Tennis-Asse wie Boris Becker und Formel-1-Sieger Sebastian Vettel schmücken ihre Vitrinen mit den Trophäen aus Bodenmais. die-glasstrasse.de

Leuchtende Glasblume bei Joska Kristall in Bodenmais

Credit: Freiherr von Poschinger Glasmanufaktur; Stephan Moder

Aufwendig gravierter Jagdbecher aus der Glasmanufaktur von Poschinger

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Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Winter 2017

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